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§ 1374 Anfangsvermögen

(1) Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstands gehört.

(2) Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.

(3) Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1§ 1373 BGB gibt vor, wie der Zugewinn berechnet wird (Zugewinn = Endvermögen ./. Anfangsvermögen). Eine Rechengröße ist das sog. Anfangsvermögen, das in § 1374 BGB näher umschrieben wird. Das Anfangsvermögen ist wiederum der rechnerische Überschuss des Aktivvermögens bei vorherigem Abzug des Passivvermögens.
Das Anfangsvermögen ist in der Praxis in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen, schmälert es doch den entstandenen Zugewinn und damit auch eine etwaige Ausgleichspflicht. Ein immer wieder vorhandenes Problem ist jedoch, dass der Nachweis zum Anfangsvermögen nicht geführt werden kann, da keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Von den Banken können Kontoauszüge, die länger als 10 Jahre zurückliegen, in der Regel nicht mehr angefordert werden. Es gilt also, Unterlagen hierzu bestmöglichst und sorgfältig aufzuheben. Insbesondere nach Trennungen sollte sichergestellt werden, dass die Unterlagen an einem vor Zugriffen des anderen Ehegatten geschützten Ort verwahrt werden; denn nicht selten sind ganze Ordner mit diesen so wertvollen Nachweisen nach der Trennung wie von Zauberhand „verschwunden“.

2Für welche Fälle gilt § 1374 BGB?

Gemäß § 1372 BGB gilt § 1374 BGB zunächst einmal für alle Fälle, in denen der Güterstand der Zugewinngemeinschaft anders als durch den Tod eines Ehegatten beendet wurde, also z.B. bei Scheidung oder vertraglicher Vereinbarung eines anderen Güterstands. Aber auch bei der Beendigung durch den Tod eines Ehegatten kann § 1374 BGB zur Anwendung kommen, wenn die güterrechtliche Lösung zur Anwendung kommt.

3Kann zu § 1374 BGB eine vertragliche Regelung geschlossen werden?

Ja, dies ist z.B. in einem Ehevertrag möglich. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Vereinbarungen hierzu formbedürftig sind, also notariell beurkundet werden müssen, um wirksam zu sein. In vielen Eheverträgen wird, um die angesprochene Nachweisproblematik zu vermeiden, der Bestand des Anfangsvermögens bei Eheschließung festgehalten. Dies ist vor allem bei größerem Vermögen durchaus sinnvoll. Es sind aber auch Vereinbarungen möglich, die bestimmte Gegenstände aus dem Anfangsvermögen herausnehmen oder später zuerworbenes Vermögen dem Anfangsvermögen hinzurechnen. Möglich ist auch eine Regelung, wonach der Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögens auf einen Zeitpunkt vor der Eheschließung verlagert wird.Brudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1374 Rn. 3; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1374 Rn. 31 m.w.N. 

4Was ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Anfangsvermögens?

Nach § 1374 I BGB gehört zum Anfangsvermögen das Vermögen, das beim Eintritt des Güterstands vorhanden ist. Der Eintritt in den Güterstand erfolgt in aller Regel mit der Eheschließung, wobei maßgebliches Datum der Tag der standesamtlichen, nicht der kirchlichen Hochzeit ist. Der Eintritt des Güterstands kann aber auch durch vertragliche Regelung entstehen, beispielsweise wenn die Ehegatten zuvor aufgrund eines Ehevertrags in Gütertrennung gelebt haben.
Zu berücksichtigen ist, dass in der Zugewinnausgleichsberechnung das sog. Stichtagsprinzip herrscht. Dem Anfangsvermögen bei Eheschließung kann somit nur hinzugerechnet werden, was an diesem Tag an Vermögen vorhanden war. Wurde beispielsweise am Tag vor der Heirat eine größere Ausgabe getätigt, beispielsweise Kosten für die bevorstehende Hochzeitsreise bezahlt, dann ist dieses Geld am Tag der Eheschließung nicht mehr vorhanden. Es kann daher auch nicht dem Anfangsvermögen hin zugerechnet werden. Dies gilt selbstverständlich immer vorbehaltlich einer anderweitigen vertraglichen Regelung.

5Was fällt unter das Anfangsvermögen?

Nicht unter das Anfangsvermögen fallen solche Vermögenswerte, für die es im Familienrecht besondere Vorschriften gibt. In erster Linie sind dies die Altersvorsorgeanrechte sowie die Haushaltsgegenstände. Die Abgrenzung ist aber nicht immer einfach.
So fallen beispielsweise die Anrechte aus einer privaten Kapitallebensversicherung in den Zugewinnausgleich. Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung unterfallen dagegen immer dem Versorgungsausgleich. Dies gilt selbst dann, wenn die betriebliche Altersversorgung aus Anrechten aus einer Kapitallebensversicherung besteht.

Gehört ein Haushaltsgegenstand einem Ehegatten schon vor der Eheschließung, so fällt dieser in sein Anfangsvermögen. Werden Haushaltsgegenstände während der Ehe angeschafft, sind unabhängig davon, wer den Gegenstand bezahlt hat – beide Ehegatten Miteigentümer. Hier gibt es dann eine spezielle Regelung in § 1568 b BGB, sodass eine Berücksichtigung im Zugewinnausgleich in der Regel nicht mehr vorgenommen wird.

6Wie werden Schulden und sonstige Belastungen im Anfangsvermögen berücksichtigt?

Früher konnten Schulden nur bis zur Höhe der aktiven Vermögenswerte abgezogen werden, so dass das Anfangsvermögen allenfalls 0 betragen, nicht jedoch negativ sein konnte.
Dies gilt heute aufgrund von § 1374 III BGB nicht mehr. Verbindlichkeiten können nun auch über das aktive Vermögen hinaus in Abzug gebracht werden. So kann sich auch ein negatives Anfangsvermögen errechnen. Davon soll der andere Ehegatte profitieren, der während der Ehe zum Schuldenabbau beigetragen hat. Hatte also z.B. der Ehemann bei Eheschließung (=Anfangsvermögen) Schulden in Höhe von 50.000,00 EUR und am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags (=Endvermögen) ein Vermögen von 50.000,00 EUR, hat er einen Zugewinn von 100.000,00 EUR, da er durch den Schuldenabbau während der Ehe insgesamt um 100.000,00 EUR mehr Vermögen bilden konnte.

7Was ist der sog. privilegierte Erwerb?

§ 1374 II BGB sieht vor, dass für bestimmte Formen des Vermögenserwerbs eine Hinzurechnung zum Anfangsvermögen erfolgen kann. Dies nennt man den sog. privilegierten Erwerb, da dieses Vermögen trotz des Zuerwerbs während der Ehe in das Anfangsvermögen eingestellt wird. Um für die Zugewinnausgleichsberechnung die richtigen Werte zu erhalten, ist jeweils auf den Tag des Erwerbs abzustellen. Wurde also beispielsweise eine Immobilie von den Eltern auf einen Ehegatten übertragen, ist maßgeblicher Stichtag für den Wert der Immobilie im Anfangsvermögen der Tag, an dem die Schenkung notariell beurkundet wurde.
Folgende Fälle unterfallen dem privilegierten Erwerb:

- Erwerb von Todes wegen: Einer der häufigsten Fälle ist der privilegierte Erwerb aufgrund einer Erbschaft, die man von dritter Seite, beispielsweise von den Eltern, erhalten hat. Aber auch Vermächtnis, Pflichtteil, Erbersatzanspruch und Nacherbschaften fallen darunter. Gleiches gilt für die Bezugsberechtigung an einer Lebensversicherungssumme aus der Versicherung eines nahestehenden verstorbenen Dritten.BGH Urteil vom 20.09.1995 – XII ZR 16/94 = BGHZ 130, 377 = FamRZ 1995, 1562 = NJW 1995, 3113 Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertbestimmung ist auf den Todestag des Erblassers, also des Verstorbenen, abzustellen.

- Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht: Dieser Abschnitt umfasst ebenfalls die Übertragung von Vermögen an einen Erben – aber eben noch zu Lebzeiten des Erblassers. Darunter fallen insbesondere die Fälle der Grundstücks-, Hof- und Unternehmensübergabe, aber auch eine etwaige Entgeltzahlung für die Erklärung eines Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht. Nicht umfasst sind Zahlungen der Ehegatten untereinander, die mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht gemacht werden.
Maßgeblicher Zeitpunkt für den Wertansatz im Zugewinnausgleich ist der Tag der (notariellen) Übertragung.

- Erwerb durch Schenkung oder Ausstattung: Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine unentgeltliche Vermögensverschiebung handelt, d.h. dem Schenker darf keine Gegenleistung zugeflossen sein. Wurde nur ein Teil unentgeltlich übertragen, sog. gemischte Schenkung, kann nur der unentgeltliche Teil in das Anfangsvermögen eingestellt werden. Arbeits- und Dienstleistungen stellen keine Schenkung dar; gleiches gilt für Gebrauchsüberlassungen. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn hierfür auf eine normalerweise zu zahlende Vergütung verzichtet oder diese erlassen wurde.BGH Urteil vom 01.07.1987 – IVbZR 70/86 = BGHZ 101, 229, 232 =  FamRZ 1987, 910 = NJW 1987, 2816 Schenkungen der Ehegatten untereinander sind von dieser Vorschrift ebenfalls nicht umfasst.
Der für die Zugewinnausgleichsberechnung maßgebliche Wert ist der Tag, an dem die Schenkung dem Vermögen des beschenkten Ehegatten zugeflossen ist.

Eine Hinzurechnung kann aber bei allen Fällen dann nicht erfolgen, wenn es sich nicht um die Zuwendung von Vermögen handelt, sondern der privilegierte Erwerb den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist. Damit soll sichergestellt werden, dass die nicht zur Vermögensbildung bestimmten Einkünfte nicht unter die Privilegierung fallen. Die Einordnung ist in der Praxis nicht ganz einfach. Keine Rolle spielt für die Qualifizierung als Einkünfte, ob es sich um eine einmalige oder laufende Zahlung gehandelt hat. Letztlich kommt es also für die Einordnung als Einkünfte darauf an, ob der Erwerb nach der Bestimmung des Zuwendenden zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs dienen soll. Dies ist insbesondere bei Beiträgen zur HaushaltsführungOLG Koblenz Urteil v. 10.08.2006 – 7 UF 850/05 = FamRZ 2006, 1839 = NJW-RR 2007, 2 mit Anm. Schröder oder Finanzierung von UrlaubenBrudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1374 Rn. 18; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1374 Rn. 27 der Fall. 

Sind Schulden und sonstige Belastungen auch beim privilegierten Erwerb zu berücksichtigen?

Vor allem Nachlassverbindlichkeiten, wie Erbschaftssteuer etc., sind vom privilegierten Erwerb wertmindernd abzuziehen. Gleiches gilt für Darlehen, die z.B. auf einer Immobilie lasten und mitübernommen werden.
§ 1374 III BGB gilt auch für den privilegierten Erwerb. Damit kann auch der privilegierte Erwerb negativ sein. Dies ist insbesondere bei Annahme einer überschuldeten Erbschaft der Fall.

In der Praxis ein Problemfall ist durchaus auch, dass bei einer Vielzahl von übertragenen Immobilien eine Belastung in Form eines lebenslangen Nießbrauchs, Wohnrechts oder Leibgedinges eingetragen ist. Hier ist eine Wertsteigerung allein schon dadurch eingetreten, dass die Belastung mit diesem lebenslangen Recht zwischen den beiden Stichtagen zum Anfangs- und Endvermögen abgenommen hat. Hat z.B. die im Zeitpunkt der Schenkung 60-jährige Mutter des Ehemanns diesem während der Ehe ein Grundstück mit einem Nießbrauch belastet übertragen und wird etwa zwanzig Jahre später der Scheidungsantrag zugestellt, dann hat das Grundstück allein durch das Absinken des Werts des Nießbrauchs an Wert gewonnen. Denn der lebenslange Nießbrauch einer 60-jährigen wird höher zu bewerten sein als der Nießbrauch einer 80-jährigen. In der Praxis entstehen hierdurch schwere Bewertungsprobleme, die sich in gerichtlichen Verfahren meist nur durch Einholung sehr kostenträchtiger Sachverständigengutachten klären lassen.

8Gibt es neben den in § 1374 II BGB ausdrücklich genannten Möglichkeiten weitere Fälle des privilegierten Erwerbs?

Der Bundesgerichtshof lehnt dies weiterhin abBGH Beschluss v. 16.10.2013 - XII ZB 277/12 = FamRZ 2014, 24 ff. = NJW 2013, 3645 in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung, auch wenn es hierzu in der juristischen Literatur durchaus sehr kritische Stimmen gibtBrudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1374 Rn. 19 m.w.N.; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1374 Rn. 15 .

Dies bedeutet, dass insbesondere auch ein erhaltenes SchmerzensgeldBGH Urteil vom 27.05.1981 – IVb ZR 577/80 = BGHZ 80, 384 = FamRZ 1981, 755 = NJW 1981, 1836 oder der LotteriegewinnBGH Beschluss vom 16.10.2013 - XII ZB 277/12 = FamRZ 2014, 24 ff. = NJW 2013, 3645 nicht dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden und damit voll dem Zugewinn unterliegen, obwohl der andere Ehegatten für diesen Vermögenserwerb keinerlei Leistung erbracht hat.

9Wer muss das Anfangsvermögen nachweisen und wie kann dieser Nachweis geführt werden?

Die sog. Darlegungs- und Beweislast für das Anfangsvermögen trägt derjenige Ehegatte, der sich darauf berufen möchte. Dies gilt sowohl für das originäre Anfangsvermögen als auch für den privilegierten Erwerb.

Bestreitet also ein Ehegatte, dass einzelne oder sämtliche Positionen im Anfangsvermögen des anderen Ehegatten vorhanden waren oder auch deren Höhe, muss der andere Ehegatte sein Anfangsvermögen darlegen und beweisen. Gleiches gilt für das Fehlen und die Höhe von Verbindlichkeiten im Anfangsvermögen.
Bei Allein- oder Miteigentum an einer Immobilie oder deren Übertragung kann der Nachweis in aller Regel durch Vorlage des Grundbuchauszugs und/oder der notariellen Urkunde unproblematisch geführt werden. Auch bei Kontovermögen, Spar- und Bausparverträgen sowie Lebensversicherungen kann relativ leicht ein Nachweis erbracht werden, wenn entsprechende Kontoauszüge und Vertragsunterlagen vorhanden sind. Es empfiehlt sich daher, diese Unterlagen an einem vor Zugriffen des anderen Ehegatten geschützten Ort aufzuheben. Die Banken selbst stellen Kontoauszüge in der Regel lediglich für die letzten 10 Jahre aus. Wichtig ist auch hier wieder das Stichtagsprinzip zu beachten, d.h. die Unterlagen müssen grundsätzlich den Tag der Eheschließung enthalten. Ist dies aber nicht ohne weiteres machbar, z.B. bei einem Aktiendepot, können auch Unterlagen, die sich dem Stichtag zumindest nähern, eine gewisse Indizwirkung haben. Wurden von dritter Seite Geldschenkungen vorgenommen, sollten auch hierzu bestenfalls entsprechende Kontoauszüge oder Überweisungsträger vorgelegt werden. Problematisch kann dies aber insbesondere auch bei Barschenkungen sein; hier müssten dann die Schenkenden oder andere Personen, die von der Schenkung Kenntnis hatten, gegebenenfalls als Zeugen benannt werden.

10Wie wird die Inflation berücksichtigt?

Gerade bei Langzeitehen stellt sich immer wieder die Frage, wie der Umstand zu bewerten ist, dass das Geld bei Eheschließung noch einen anderen Wert hatte als heute. Dieser Kaufkraftschwund wird im Zugewinnausgleich dadurch ausgeglichen, dass das Anfangsvermögen indexiert wird. Hierzu wird der Verbraucherpreisindex herangezogenInformationen unter: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Preise/Verbraucherpreisindizes/Verbraucherpreisindizes.html;jsessionid=AD5E95B9860E6C79C1A3EE49AE0F4CBA.cae2 . Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelte Formel lautet:
Wert des Anfangsvermögens bei Beginn des Güterstands x Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands : Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt des Beginns des Güterstands.

Indexiert wird auch das durch privilegierten Erwerb zugeflossene Vermögen. Statt dem Wert des Anfangsvermögens bei Beginn des Güterstands wird dann aber der Wert zum Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses der Zuwendung in die oben genannte Formel eingestellt.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

11§ 1374 I BGB definiert die in § 1373 BGB zur Berechnung des Zugewinns genannte Rechengröße „Anfangsvermögen“ als das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Eheschließung gehört. Der in § 1374 II BGB normierte privilegierte Erwerb sieht darüber hinaus bei einigen Vermögenswerten eine Privilegierung dergestalt vor, dass diese nicht dem Zugewinn unterliegen.

12§ 1374 BGB gilt nach § 1372 BGB für den rechnerischen Zugewinn. Wird bei Beendigung des Güterstands durch Tod die güterrechtliche Lösung gewählt, kommt § 1374 BGB ebenfalls zur Anwendung. Für Ehegatten in den neuen Bundesländern, die im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik gelebt und keine Erklärung abgegeben haben, wonach der bisherige Güterstand fortgelten solle, ist § 1374 BGB gem. Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB ebenfalls anwendbar.

13§ 1374 BGB ist ein nachgiebiges Recht. Den Ehegatten steht es damit frei, durch einen im Sinne von § 1408, § 1410 BGB formgebundenen Vertrag abweichende Vereinbarungen zu treffen. Die in der Praxis wohl gängigste Methode ist es, einzelne Vermögensgegenstände und/oder –werte vertraglich zu fixieren. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, einzelne Vermögensgegenstände zum Anfangsvermögen oder privilegierten Erwerb hinzuzurechnen oder davon ganz oder teilweise herauszunehmen. Auch die Verlegung des Berechnungszeitpunkts auf einen Stichtag vor der Eheschließung ist denkbar.Brudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1374 Rn. 3; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1374 Rn. 31 m.w.N 

2) Definitionen

14a) Anfangsvermögen

Das Anfangsvermögen gem. § 1374 I BGB ist keine eigene Vermögensmasse, sondern lediglich eine Rechengröße zur Berechnung des Zugewinns gem. § 1373 BGB. Es errechnet sich gem. § 1374 I BGB aus dem positiven Aktivvermögen abzüglich der Verbindlichkeiten.

15b) Aktivvermögen
 
Das Aktivvermögen umfasst grundsätzlich alle rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

19Auch für die Frage, ob ein Vermögensgegenstand in das Anfangsvermögen fällt, ist die Abgrenzung zu den speziellen gesetzlichen Regelungen, wie § 1568 a und b BGB sowie § 2 VersAusglG, von Bedeutung.

Der Zugewinnausgleich, und damit die Frage nach dem Anfangsvermögen, wird in der Regel in so ziemlich jedem Scheidungsverfahren thematisiert. Dies kann selbst dann gelten, wenn ein Ehevertrag mit Vereinbarung der Gütertrennung vorhanden ist und ein Ehegatte die Wirksamkeit des Vertrags erschüttern möchte.

Beim privilegierten Erwerb nach § 1374 II BGB treten nun in der Praxis immer häufiger die Fälle der Übertragung von Immobilienvermögen im Hinblick auf ein künftiges Erbrecht auf. Da hier zumeist eine lebenslange Belastung in Form eines Nießbrauchs oder Wohnrechts eingetragen ist, stellen sich vielfach Bewertungsprobleme, die in gerichtlichen Verfahren meist nur über kostenträchtige Sachverständigengutachten geklärt werden können.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

5) Literaturstimmen

  • Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage (2014)
  • Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I §§ 1297-1588 GewSchG, VersAusglG, LPartG, 6. Auflage (2013)
  • Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Auflage (2011)
  • Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Buch 4, Familienrecht §§ 1363-1563 eheliches Güterrecht, Neubearbeitung (2007)
  • Muscheler FamRZ 1998, 265
  • Wever FamRZ 2010, 1718
  • Schulz FF 10, 273
  • Krause ZFE 2009. 55

6) Häufige Paragraphenketten

7) Prozessuales

20Sofern kein Verzeichnis gem. § 1377 Abs. 1 BGB erstellt wurde, greift die Vermutung des § 1377 III BGB, wonach das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt, das Anfangsvermögen somit Null beträgt.

Derjenige Ehegatte, der sich auf sein Anfangsvermögen berufen möchte, trägt hierfür damit die Darlegung und Beweislast. Die Beweislast betrifft nicht nur die Existenz und Höhe des Anfangsvermögens, sondern auch das Nichtbestehen und die Höhe von Verbindlichkeiten. Dasselbe gilt auch für den privilegierten Erwerb nach § 1374 II BGB.BGH Urteil v. 20.07.2005 – XII ZR 301/02 = BGH FamRZ 2005, 1660 = NJW RR 2005, 1460   Rechtsbehauptungen reichen zur Substantiierung des Anspruchs aus; bei Bestreiten durch den anderen Ehegatten muss eine Beweisaufnahme durchgeführt werden.Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1374 Rn. 29 Auch für das Nichtvorliegen von Einkünften im Sinne von § 1374 II BGB trifft denjenigen die Beweislast, der sich auf das Anfangsvermögen beruft.OLG Koblenz Urteil v. 10.08.2006 – 7 UF 850/05 = FamRZ 2006, 1839 = NJW-RR 2007, 2 

Umstritten ist allerdings, wie sich die Beweislast bei einem negativen Anfangsvermögen verhält. Der wohl herrschende Teil der Literatur vertritt insoweit die Auffassung, dass bei Vorliegen eines negativen Anfangsvermögens die Darlegungs- und Beweislast dem anderen Ehegatten für alle Umstände obliegt, die über die Existenz und Höhe eines aktiven oder passiven Vermögenswerts ein insgesamt höheres Passivsaldo ergeben.Brudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1374 Rn. 20 m.w.N; a.A. Krause ZFE 2009. 55 Ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, ob das Anfangsvermögen tatsächlich ein Negativsaldo ausweist, da dies noch von einzelnen Vermögensgegenständen abhängig ist, trifft den Vermögensinhaber die Darlegungs- und Beweislast für Aktivposten, den anderen Ehegatten für Passivposten.Brudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1374 Rn. 20 m.w.N 

Wichtig insbesondere für die Beratung ist es, den Mandanten möglichst gleich im Erstgespräch auf die Darlegungs- und Beweislast hinzuweisen, einhergehend mit dem Rat, aus diesem Grund alle relevanten Unterlagen an einem vor Zugriffen des Ehegatten sicheren Ort aufzubewahren (vgl. auch § 1374 Rn.)

8) Anmerkungen

21§ 1374 BGB ist nach wie vor eine der zentralen Normen des Zugewinnausgleichsrechts. Die Zugewinnausgleichsrechtsreform hat durch die Einführung des § 1374 III BGB dazu beigetragen, dass der Schuldenabbau während der Ehe auch dem anderen Ehegatten zugute kommt.
Es bleibt überdies abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung zur Erweiterung der Erwerbstatbestände nach § 1374 II BGB auch auf Dauer hält. Angesichts der kürzlich ergangenen Entscheidung zum Lotteriegewinn, in dem die langjährige Praxis erneut bestätigt wurde, ist allerdings davon auszugehen, dass hier so bald kein Abrücken erfolgen wird.


Fußnoten