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§ 1373 Zugewinn

Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Die Zugewinngemeinschaft ist in der Grundkonstruktion eine Gütertrennung.
Das bedeutet, dass jeder auch bei Scheidung diejenigen Immobilien oder Mobilien behält, die in seinem Eigentum stehen. Eine andere Bewertung ist u.U. hinsichtlich von Haushaltsgegenständen, die während der Ehe angeschafft wurden, vorzunehmen.
Auch für Schulden gilt daher: ein Ehegatte haftet für Schulden des anderen Ehegatten grundsätzlich nicht mit, es sei denn, er hat z.B. den Darlehensvertrag mitunterschrieben oder eine Bürgschaft übernommen.
An den Eigentumsverhältnissen ändert sich somit durch die Scheidung grundsätzlich zunächst einmal nichts.
   
Worin unterscheiden sich Gütertrennung und Zugewinngemeinschaft?

2Der Unterschied zur Gütertrennung besteht darin, dass bei Beendigung des Güterstands eine Vermögensmehrung bzw. -minderung während der Ehe über den sog. Zugewinnausgleich auszugleichen ist. Dabei handelt es sich um einen Geldanspruch. Ein Anspruch auf Übertragung von Mobilien/Immobilien besteht grundsätzlich nicht.
Bei Beendigung des Güterstands muss somit festgestellt werden, ob ein Ehegatte während der Ehe einen höheren Zugewinn erzielt hat als der andere Ehegatte. Sofern dies zu bejahen ist, muss der Ehegatte, dessen Zugewinn den des anderen übersteigt, diesem die Hälfte seines höheren Zugewinns abgeben.
  
Wie wird der Zugewinn berechnet?

3Dies kann am besten anhand eines Beispiels verdeutlicht werden:
Der Ehemann (M) ist bei Zustellung des Scheidungsantrags Alleineigentümer einer Wohnung im Wert von 500.000,00 EUR. Hierauf hat er noch Schulden in Höhe von 100.000,00 EUR. Bei Eheschließung hatte er ein Vermögen von 200.000,00 EUR. Die Ehefrau (F) ist vermögenslos. Auch bei Eheschließung hatte sie kein Vermögen. Schenkungen oder Erbschaften während der Ehe erfolgten weder an M oder F.

Das Endvermögen des M beträgt 400.000,00 EUR (500.000,00 EUR Wert der Wohnung./.100.000,00 EUR Schulden). Bei Scheidung ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Zugewinnausgleichs der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags. Das Anfangsvermögen des M am Tag der Eheschließung belief sich auf 200.000,00 EUR. Der Zugewinn des M beträgt damit 200.000,00 EUR (400.000,00 EUR Endvermögen./.200.000,00 EUR Anfangsvermögen).
Der Zugewinn der F beträgt 0,00 EUR, da sie weder End- noch Anfangsvermögen aufweisen kann. Damit übersteigt der Zugewinn des M den Zugewinn der F um 200.000,00 EUR. Hiervon muss M der F die Hälfte, nämlich 100.000,00 EUR abgeben. M muss schuldet damit der F ab Rechtskraft der Scheidung eine Geldsumme von 100.000,00 EUR. F wird durch den Zugewinnausgleich nicht Miteigentümerin der Immobilie, haftet aber auch nicht für die darauf lastenden Verbindlichkeiten. Ob M die Immobilie verkaufen oder ein weiteres Darlehen aufnehmen muss, um F die Zugewinnausgleichssumme zahlen zu können, ist davon unabhängig.
  
Wo sind die Einzelheiten zur Zugewinnausgleichsberechnung gesetzlich geregelt?

4Einzelheiten finden sich in den §§ 1374 ff. BGB. Wichtig sind dabei insbesondere die Vorschriften des § 1374 BGB zum Anfangsvermögen und des § 1375 BGB zum Endvermögen. Der Umfang der beiderseitigen Auskunftspflicht ist in § 1379 BGB geregelt. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung des Zugewinns und für die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung bei Scheidung ist nach § 1384 BGB der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags.
 
Gibt es einen negativen Zugewinn?

5Übersteigt das Anfangsvermögen das Endvermögen, kann sich eine negative Summe errechnen. Für die Berechnung des Zugewinnausgleichs spielt diese allerdings keine Rolle; in die Berechnung ist statt dem negativen Wert dann ein Zugewinn von 0,00 EUR einzustellen. Einen negativen Zugewinn gibt es somit nicht.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

6§ 1373 BGB enthält eine Legaldefinition zur Berechnung des Zugewinnausgleichs.
Die zur Berechnung des Zugewinns notwendigen Rechengrößen End- und Anfangsvermögen werden in § 1374 f. BGB geregelt.

2) Definitionen

a) Zugewinn

7§ 1373 BGB normiert als Legaldefintion den Begriff des Zugewinns.   

aa) Rechnungsgröße

Die Zugewinngemeinschaft ist in ihrer Grundkonstruktion eine Gütertrennung (vgl. auch § 1363 II BGB).
Die Durchführung des Zugewinnausgleichs führt nicht zu einer Umverteilung der Vermögensmassen. Maßgeblich sind die jeweiligen Eigentumsverhältnisse, an denen sich auch durch den Zugewinnausgleich nichts ändert. Dies gilt sowohl hinsichtlich aktiver als auch passiver Vermögenswerte. Der Zugewinn ist damit allein eine Rechnungsgröße, der zur Berechnung der Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB herangezogen wird.

bb) Kein negativer Zugewinnausgleich

Ist das Anfangsvermögen höher als das Endvermögen, kann sich zwar eine negative Summe errechnen. Einen negativen Zugewinn gibt es aber nicht. Der Zugewinn ist dann mit 0,00 EUR einzustellen. Hieran hat sich auch durch die am 01.09.2009 in Kraft getretene Zugewinnausgleichsrechtsreform nichts geändert.
Begründet wird dies von der Rechtsprechung damit, dass die Ehe keine Verlustgemeinschaft ist.BGH Urteil v. 06.10.2010 – XII ZR 10/09 = FamRZ 2011, 25, 27 f. m. Anm. Koch = NJW-RR 2011,73  Der eine Ehegatte soll nicht für die während der Ehe eingetretenen Verluste des anderen Ehegatten eintreten müssen. Ein Großteil der Literatur stützt diese Auffassung.Brudermüller in: Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014, § 1373 Rn. 4; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1373 Rn. 4; Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Auflage 2011, Kap. 1 Rn. 20. A.A. Braeuer FamRZ 2010, 1614  

cc) Kein Ausgleich scheinbarer Zugewinne 

Die inflationsbedingte Änderung der Kaufkraft des Geldes stellt einen sog. scheinbaren (auch: unechten, nominellen) ZugewinnKoch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1373 Rn. 5 dar. Zwischenzeitlich ist unstreitig, dass dieser scheinbare Zugewinn nicht auszugleichen ist.Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1373 Rn. 6 unter Verweis auf BFH Urteil v. 27.06.2007 – II R 39/05 = BFHE 217, 248 = FamRZ 2007, 1882 = NJW 2008, 248 Abhilfe wird dadurch geschaffen, dass das Anfangsvermögen durch Umrechnung auf den Geldwert im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands gebracht wird. Dies gilt in erster Linie für Güter, die einer Bewertung unterliegen. Aber auch für Geldvermögen und -verbindlichkeiten hat eine Anhebung auf des Geldwertniveaus des Endvermögens stattzufinden.BGH Urteil v. 18.10.1989 – IVb ZR 82/88 = BGHZ 109, 89, 95 = FamRZ 1990, 256 = NJW 1990, 445; BGH Urteil vom 13.10.1983 – IX ZR 106/82 = FamRZ 1984, 31 = NJW 1984, 434; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1373 Rn. 10,11 mit weiteren Nachweisen. A.A. Gernhuber FamRZ 1984, 1053 u. NJW 1991, 2238 
Hierfür wird der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex herangezogen.
Es ergibt sich folgende Formel zur Indexierung des Anfangsvermögens:

Wert des Anfangsvermögens bei Beginn des Güterstands x Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands: Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt des Beginns des Güterstands.
Auch der privilegierte Erwerb nach § 1374 II BGB ist auf diese Weise zu indexieren. Maßgeblich ist dann der Index zum Zeitpunkt des privilegierten Erwerbs.
Kein scheinbarer Zugewinn liegt vor, wenn die Wertsteigerung nicht auf den Kaufkraftschwund, sondern auf eine reale Wertsteigerung zurückzuführen ist (z.B. aufgrund von gestiegenen Grundstückspreisen, Börsengewinnen, abnehmenden Nießbrauch auf Grundstückseigentum). Diese Gewinne unterliegen nach ganz h.M. dem Zugewinnausgleich.BGH Urteil v. 14.11.1973 – IV ZR 147/72 = BGHZ 61, 385, 388 = FamRZ 1974, 83 = NJW 1994, 137; Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1373 Rn. 14 

b) Endvermögen

8Geregelt ist das Endvermögen in § 1375 BGB.

c) Anfangsvermögen

9Die Regelungen zum Anfangsvermögen finden sich unter § 1374 BGB.
Nach der Reform des Zugewinnausgleichsrechts zum 01.09.2009 kann das Anfangsvermögen nun auch gem. § 1374 III BGB negativ sein.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

10Das eheliche Vermögen wird in unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften geregelt. Für Regelungen zur Ehewohnung und zu den Haushaltsgegenstände gelten die §§ 1568a und § 1568b BGB. Die Versorgungsanrechte werden durch das Gericht im Wege des sog. Versorgungsausgleichs nach den §§ 1587 ff. BGB ausgeglichen. Für die Auseinandersetzung des sonstigen Vermögens gelten die Vorschriften der §§ 1373 ff. BGB.

Die Abgrenzung der einzelnen Vermögensgegenstände kann manchmal schwierig sein, beispielsweise die Frage, ob eine Versicherung in den Zugewinnausgleich (so bei privaten Kapitallebensversicherungen) oder in den Versorgungsausgleich (so bei betrieblichen Kapitallebensversicherungen) fällt. Auch bei PKWs kann mitunter die Frage entstehen, ob diese im Zugewinnausgleich zu regeln sind oder ob der Familien-PKW ein Haushaltsgegenstand ist, der dann der Vorschrift des § 1568b BGB unterliegt.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

- BGH Urteil v. 06.10.2010 – XII ZR 10/09 = FamRZ 2011, 25, 27f. m. Anm. Koch = NJW-RR 2011,73http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=54083&pos=0&anz=1 
- BGH Urteil v. 18.10.1989 – IVb ZR 82/88 = BGHZ 109, 89 = FamRZ 1990, 256 = NJW 1990, 445
- BGH Urteil v. 13.10.1983 – IX ZR 106/82 = FamRZ 1984, 31 = NJW 1984, 434
- BGH Urteil v. 14.11.1973 – IV ZR 147/72 = BGHZ 61, 385 = FamRZ 1974, 83 = NJW 1994, 137
- BFH Urteil v. 27.06.2007 – II R 39/05 = BFHE 217, 248 = FamRZ 2007, 1882 = NJW 2008, 248

5) Literaturstimmen

- Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage (2014)
- Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band VII, Familienrecht I §§ 1297-1588 GewSchG, VersAusglG, LPartG, 6. Auflage (2013)
- Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Auflage (2011)
- Braeuer FamRZ 2010, 1614
- Gernhuber FamRZ 1984, 1053

6) Häufige Paragraphenketten

7) Prozessuales

11§ 1373 BGB ist eine grundlegende Norm zur Zugewinnausgleichsberechnung, ist aber in den materiell-rechtlichen Begründungen kaum aufzufinden. Dies wird auf die Selbstverständlichkeit, mit der die Zugewinnausgleichsberechnungen mittlerweile vorgenommen werden, zurückzuführen sein.

8) Anmerkungen

12Die Norm des § 1373 BGB enthält die gesetzliche Definition des Zugewinns und ist damit eine unumgängliche Vorschrift für die Ermittlung einer etwaigen Zugewinnausgleichszahlung.


Fußnoten