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§ 1372 Zugewinnausgleich in anderen Fällen

Wird der Güterstand auf andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Zugewinn nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1390 ausgeglichen.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Haben Ehegatten keinen Ehevertrag abgeschlossen, in dem eine anderweitige Regelung enthalten ist, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Stirbt ein Ehegatte, endet die Zugewinngemeinschaft durch Tod. Dafür sieht § 1371 BGB eine spezielle Regelung vor. 
Endet die Zugewinngemeinschaft aus anderen Gründen, z.B. weil die Ehe geschieden wird, bestimmt § 1372 BGB, dass dann die Vorschriften §§ 1373 ff. BGB anzuwenden sind. In diesen Vorschriften finden sich u.a. Regelungen, wie der Zugewinn zu berechnen ist und welche Stichtage für die Berechnung maßgeblich sind.
    
Wie kann die Zugewinngemeinschaft enden?

2Die Zugewinngemeinschaft endet durch den Tod eines Ehegatten. Hierfür trifft § 1371 BGB eine spezielle und abschließende Regelung. § 1372 BGB gilt dann nicht.

§ 1372 BGB gilt somit, 

  • wenn die Ehegatten eine vertragliche Vereinbarung (z.B. Ehevertrag in Form einer notariellen Urkunde) getroffen haben, wonach die Zugewinngemeinschaft beendet wird. In einer Vielzahl der Fälle wird für die restliche Ehezeit dann die sog. Gütertrennung vereinbart. 
  • wenn von einem Ehegatten der sog. vorzeitige Ausgleich über den Zugewinn beantragt wird. Hierzu finden sich unter § 1385 ff. BGB spezielle Regelungen.
  • wenn die rechtskräftige Entscheidung zur Ehescheidung vorliegt. Dies ist wohl einer der gängigsten Beendigungsgründe. Eine spezielle Regelung unter § 1384 BGB schreibt hierzu beispielsweise vor, welcher Zeitpunkt für die Berechnung und die Höhe der Ausgleichsforderung maßgeblich ist. 
  • wenn die Ehe aufgehoben wird. Diese Fälle sind in der Praxis eher selten. 
  • wenn ein Ehegatte im Fall der Todeserklärung des anderen Ehegatten wieder heiratet. Auch diese Fälle kommen in der Praxis jedoch kaum vor.

Was ist zu beachten, wenn die Zugewinngemeinschaft nicht durch den Tod endet?

3§ 1372 BGB verweist letztlich nur auf die nachfolgenden Vorschriften. Je nach Beendigungsgrund ist dann darauf zu achten, ob spezielle Normen einschlägig sind. Dies gilt beispielsweise für den vorzeitigen Zugewinnausgleich nach § 1385 ff. BGB oder für die Ehescheidung nach § 1384 BGB.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

4§ 1372 BGB enthält eine generelle Verweisung auf die §§ 1373-1390 BGB, wenn die Zugewinngemeinschaft anders als durch den Tod eines Ehegatten endet.

Endet die Ehe durch Tod, ist gem. § 1371 BGB zunächst einmal der erbrechtliche Ausgleich durchzuführen. Durch den Verweis in § 1372 BGB wird für alle anderen Fälle der rechnerische Ausgleich vorgeschrieben.

2) Definitionen

a) Güterstand 

5Gemeint ist der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach § 1363 BGB

b) Beendigung durch andere Weise als durch Tod 

6§ 1372 umfasst die Fälle der

  • vertraglichen Regelung (§§ 1408 I, 1414 BGB)
  • rechtskräftigen Entscheidung über den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns (§§ 1385 f., 1388 BGB)
  • rechtskräftigen Entscheidung zur Ehescheidung oder Aufhebung der Ehe (§ 1372 BGB)
  • Wiederverheiratung nach Todeserklärung (1372 BGB).    
aa) Vertragliche Regelung 

7Bei der vertraglichen Regelung ist die Formbedürftigkeit vor Beendigung des Güterstands zu berücksichtigen. Gem. § 1410 BGB ist die notarielle Form vorgeschrieben. Gem. § 127a BGB ersetzt ein gerichtlicher Vergleich die notarielle Form. Eheverträge unterliegen nach der Rechtsprechung der richterlichen Inhaltskontrolle. Gemäß der Kernbereichslehre des BGH sind dem Regelungsspielraum im Bereich des Güterrechts zwar keine engen Grenzen gesetzt,Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1372 Rn. 10 unter Verweis auf BGH Urteil vom 11.02.2004 – XII ZR 265/02 = BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601 930m. Anm. Borth = NJW 2004, 930 vorsorglich sollte aber immer eine Gesamtschau aller vertraglichen Regelungen vorgenommen werden. 

bb) Rechtskräftige Entscheidung über den vorzeitigen Zugewinnausgleich 

Es gelten die Vorschriften der §§ 1385 ff. BGB. Der vorzeitige Zugewinnausgleich kann nur unter den Voraussetzungen des § 1385 Nr. 1-4 BGB begehrt werden.       

cc) Rechtskräftige Entscheidung zur Ehescheidung

Für den Berechnungszeitpunkt sowie zur Bestimmung der Höhe der Ausgleichsforderung gilt § 1384 BGB.    

dd) Rechtskräftige Entscheidung zur Aufhebung der Ehe 

§ 1318 III BGB enthält einen Verweis auf die Normen der §§ 1363-1390 BGB.  

ee) Wiederverheiratung bei Todeserklärung 

Heiratet der überlebende Ehegatte nach Todeserklärung des anderen Ehegatten erneut, wird gem. § 1319 II BGB die frühere Ehe durch die neue Ehe aufgelöst. Die erste Ehe endet dann auch „auf andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten“, nämlich durch die Wiederverheiratung.Koch in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band 7, Familienrecht I, 6. Auflage 2013, § 1372 Rn. 7 Es gilt § 1372 BGB.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

8Ob die §§ 1373 ff. BGB zur Anwendung kommen, hängt maßgeblich vom Grund der Beendigung des Güterstands ab. Je nach Beendigungsgrund ist der erbrechtliche (§ 1371 BGB) oder der rechnerische (§ 1372 BGB) Zugewinnausgleich vorzunehmen.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

5) Literaturstimmen

  • Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage (2014)
  • Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB Band VII, Familienrecht I §§ 1297-1588 GewSchG, VersAusglG, LPartG, 6. Auflage (2013)
  • Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Auflage (2011)

6) Häufige Paragraphenketten

7) Prozessuales

In Verfahren spielt § 1372 BGB eine eher untergeordnete Rolle. Zwar rechtlich durchaus von Bedeutung, wird die Norm zur Begründung des materiellen Anspruchs als logische Konsequenz insbesondere im Scheidungsverfahren kaum zitiert.

8) Anmerkungen

§ 1372 BGB ebnet den Weg zum rechnerischen Zugewinnausgleich.


Fußnoten