Schliessen

§ 1578 Maß des Unterhalts

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

1a) Grundlagen

§ 1578 BGB bestimmt den Bedarf unterschiedslos für alle Tatbestände des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Bedarf ist nicht nur auf die Kosten der laufenden Lebensführung begrenzt, sondern schließt die Kosten der Krankenvorsorge (§ 1578 Abs. 2 BGB) und der eigenständigen Altersvorsorge (§ 1578 Abs. 3 BGB) ein.

2) Definitionen

3Die für die Höhe eines Anspruchs maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse können durch verschiedene Einkünfte und Umstände bestimmt werden.BGH FamRZ 2012, 1040; FamRZ 2010, 1311

a) Berechnung des Elementarunterhalts

Bei unterdurchschnittlichen oder durchschnittlichen Einkommensverhältnissen erfolgt die Berechnung des Unterhalts als Quote vom Einkommen anhand der Differenz- Additions- oder Quotenbedarfsmethode.

Bei der Differenzmethode wird aus der Differenz der bereinigten Nettoeinkünfte des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten die Unterhaltsquote errechnet. Die Differenzmethode geht davon aus, dass nur die verschiedene Höhe der beiderseits prägenden Einkünfte einen Ausgleich erforderlich macht. Nicht prägende Einkünfte dürfen nicht berücksichtigt werden.

Bei der Additionsmethode wird zunächst der gemeinsame Bedarf der Ehegatten aus der Summe beider Einkommen und unter Berücksichtigung des jeweiligen Erwerbstätigenbonus gebildet. Der Unterhaltsanspruch errechnet sich aus der Hälfte des Bedarfs, auf den das – wiederum um den Erwerbstätigenbonus gekürzte – Einkommen des berechtigten angerechnet wird.

Nach der Quotenbedarfsmethode (vgl. Ziffer 15.2 DL) berechnen sich der Bedarf des Berechtigten und der angemessene Selbstbehalt des Verpflichteten aus 4/7 des eigenen Erwerbseinkommens, 3/7 des Erwerbseinkommens des Ehegatten und 1/2 der sonstigen beiderseitigen Einkünfte. Auf diesen bedarf sind nicht prägende Erwerbseinkünfte zu 6/7 anzurechnen, andere Einkünfte (auch prägende Erwerbseinkünfte) in voller Höhe.Zu den einzelnen Berechnungsmethoden vgl. Kleffmann, in: Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht, Teil H Rn. 195 ff. und NK-BGB/Schürmann, § 1578 Rn. 106 ff

Bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen kann der Unterhalt nicht quotal berechnet werden. Erforderlich ist in diesen Fällen eine konkrete Bedarfsberechnung. Unterhalt dient der Bedarfsdeckung, nicht der Vermögensbildung.

Eine faktische Sättigungsgrenze wird man bei 3/7 des jeweiligen Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle, zur Zeit mithin ca. 2.200,- € monatlich annehmen können. Jenseits dieses Betrages sollte der Berechtigte die Bedarfspositionen konkret darlegen und, soweit möglich, belegen, damit dem Tatrichter zumindest eine Schätzung des eheangemessenen Bedarfs ermöglicht wird.OLG Hamm FamRZ 2014, 777; Kasuistik zu den berücksichtigungsfähigen Bedarfspositionen etwa bei Kleffmann, in: Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht, Teil H Rn. 194

b) Krankenvorsorge, Ausbildung, Mehrbedarf

Der Unterhaltsbedarf ist nicht auf die Kosten der laufenden Lebenshaltung beschränkt, sondern umfasst auch die Kosten einer angemessenen Krankenvorsorge sowie der Aus- und Fortbildung (§ 1578 Abs. 2 BGB). Diese Kosten sind nicht von dem nach einer Quote vom Einkommen ermittelten Elementarunterhalt umfasst und müssen als Zusatzbedarf ausdrücklich geltend gemacht werden.Grundlegend BGH FamRZ 1982, 1187

Bestand während der Ehe eine private Krankenversicherung, kann diese durch den Unterhaltsberechtigten fortgeführt werden. Bestand während der Ehe eine private Zusatzversicherung, erstreckt sich die Unterhaltspflicht auch auf einen entsprechenden Versicherungsschutz.BGH FamRZ 1990, 280

Der Krankenversicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung ist umfassend, unabhängig von der Höhe des geleisteten Beitragssatzes. Die Höhe des Krankenvorsorgeunterhalts folgt aus dem sich aus dem Elementarunterhalt ergebenden Beitrag, der – wenn nicht der Mindestbeitrag zu entrichten istBeitragspflichtige Einnahmen pro Kalendertag mind. 1/90 der monatlichen Bezugsgröße , § 240 IV SGB V; – anhand des einheitlichen Beitragssatzes (z.Z. 15,5 %, ab dem 01.01.2015 14,6 %) zu ermitteln ist.

Die Mitversicherung des Berechtigten in der gesetzlichen Krankenversicherung endet mit Rechtskraft der Scheidung (§ 9 SGB V).Vgl. Kleffmann, in: Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht, Teil H Rn. 179

Die Mitversicherung des Unterhaltsberechtigten in der gesetzlichen Krankenversicherung endete mit der Rechtskraft der Scheidung (§ 9 SGB V). Der nicht selbständig versicherte Ehegatte hatte aber die Möglichkeit, innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft der Scheidung als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Beitragsentrichtung beizutreten (§§ 9 I Z. 2, 1. Alt.; 185, 188 SGB V). Seit August 2013 ist in der gesetzlichen Krankenversicherung auch ohne Antrag eine nahtlose Fortsetzung der Versicherung mit einkommensabhängigen Beiträgen möglich (§ 188 Abs. 4 SGB V). Damit ist ein lückenloser Versicherungsschutz gewährleistet.

Die Höhe des Krankenvorsorgeunterhalts folgt aus dem sich aus dem Elementarunterhalt ergebenden Beitrag, der – wenn nicht der Mindestbeitrag zu entrichten ist – anhand des einheitlichen Beitragssatzes (z.Z. 15,50% (ab 1.1.2015 14,6 %), ermäßigter Beitragssatz – § 243 SGBV – 14,9 %) zu ermitteln ist.Eingehend Husheer FamRZ 1991, 264

Im öffentlichen Dienst entfällt mit der Scheidungsrechtskraft die Beihilfeberechtigung für Aufwendungen des geschiedenen Ehegatten. Die private Krankenversicherung muss dann entsprechend aufgestockt werden. Krankheitsvorsorgeunterhalt ist betragsmäßig zusätzlich geltend zu machen und wegen seiner Zweckbindung vom Berechtigten auch tatsächlich auch für eine Krankenversicherung zu verwendenBGH FamRZ 1989, 483

Der Anspruch auf Pflegevorsorgeunterhalt folgt den Regeln des Krankenvorsorgeunterhalts. Mehrbedarf ist ein unabweisbarer, laufender nicht nur einmaliger besonderer Bedarf. Dieser ist vom Schuldner substantiiert darzulegen.BGH FamRZ 2001, 1603 Dies gilt etwa für einen Mehrbedarf wegen Krankheit,BGH FamRZ 2013, 1291 Behinderung oder Pflegebedürftigkeit.OLG Köln FamRZ 2000, 1242 Maßgebend ist der objektiv erforderliche Aufwand, der sich durch freigiebige Leistungen Dritter (etwa unentgeltliche Leistungen von Familienangehörigen) nicht verringert.OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 479

Für trennungsbedingten Mehrbedarf ist bei einem nach der Differenzberechnung bestimmten Quotenunterhalt kein Raum mehr.BGH FamRZ 2004, 1357; FamRZ 2007, 1303

Sonderbedarf ist Bestandteil des vollen Lebensbedarfs. § 1578 BGB enthält zwar insofern keine ausdrückliche Regelung. Die Einbeziehung in den nachehelichen Unterhalt erschließt sich aber aus §§ 1585b, 1613 Abs. 2 BGB. Sonderbedarf ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf der nicht als wahrscheinlich vorhersehbar war und beim laufenden Unterhalt nicht berücksichtigt werden konnte.BGH FamRZ 2006, 612 Er entsteht nur unter engen Voraussetzungen und hängt auch davon ab, ob der Gläubiger den Bedarf durch Rücklagen aus seinem laufenden Einkommen nicht decken konnte.

c) Vorsorgeunterhalt wegen Alters, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit

Altersvorsorgeunterhalt kann beim nachehelichen Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung (beim Trennungsunterhalt ab Rechtshängigkeit des Ehescheidungsverfahrens, § 1361 Abs. 1 S. 2 BGB) verlangt werden. Damit werden die Regelungen zum Versorgungsausgleich unterhaltsrechtlich ergänzt. Ein Anspruch auf Vorsorgeunterhalt besteht nur, solange der Berechtigte keine Altersvorsorge erwarten kann, die diejenige des Verpflichteten erreicht.BGH FamRZ 2000, 351 Altersvorgebedarf entfällt, wenn der Berechtigte bereits eine angemessene Vorsorge erworben hat oder über ausreichendes Kapitalvermögen verfügt.

Er ist unselbstständiger Bestandteil des einheitlichen Lebensbedarfs.BGH FamRZ 2012, 945

Dem Berechtigten steht ein Wahlrecht zu, in welcher Form er Altersvorsorge betreiben will (gesetzliche Rentenversicherung, Lebensversicherung, Bildung von SparguthabenBGH FamRZ 2003, 860 oder ähnlichem). Der Vorsorgeunterhalt ist betragsmäßig gesondert geltend zu machen. Er unterliegt einer Zweckbindung. Er muss für die Alterssicherung verwendet werden und darf nicht für den laufenden Unterhalt verbraucht werden.

Bei der Bemessung des Vorsorgeunterhalts bedient sich die Praxis zur Berechnung der Bremer Tabelle sowie der tabellarischen Übersicht auf der Grundlage der Bremer Tabelle.Zuletzt FamRZ 2014, 394

Bei sehr guten Einkommensverhältnissen und uneingeschränkter Leistungsfähigkeit des Pflichtigen ist die Höhe des geschuldeten Altersvorsorgeunterhalts nicht auf den sich aus der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ergebenden Betrag beschränkt.BGH FamRZ 2012, 945

Dem zur Deckung der laufenden Bedürfnisse bestimmten Elementarunterhalt sowie dem Krankenvorsorgeunterhalt kommt Vorrang gegenüber einem Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt zu.BGH FamRZ 1981, 442 und ständig

3) Abgrenzungen, Kasuistik

4a) Kasuistik bedarfsprägender Faktoren:

  • Abfindungen haben grds. Lohnersatzfunktion und prägen die ehelichen Lebensverhältnisse, es sei denn sie werden zusätzlich zum laufenden Einkommen gezahltOLG Frankfurt a.M. FamRZ 2005, 36.
  • Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, sofern sie nachhaltig erzielt werdenBGH FamRZ 1999, 367.
  • Erwerbstätigkeit nach Kinderbetreuung/Haushaltsführung prägt die ehelichen Lebensverhältnisse.

4) Prozessuales

6a) Darlegungs- und Beweislast

aa) Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für:
  • Die Höhe des prägenden Erwerbseinkommens
  • Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung
  • Die Höhe eines prägenden Wohnvorteils
  • Bei konkreter Bedarfsbemessung für die Notwendigkeit und Angemessenheit aller Einzelpositionen
  • Die Voraussetzungen für die Bemessung des Bedarfs auf Grundlage eines fiktiven Einkommens
  • Für einen etwaigen Mehrbedarf
  • Für die Höhe des Kranken- und Altersvorsorgeunterhalts
bb) Der Pflichtige trägt die Darlegungs- und Beweislast für:
  • Die Höhe seiner berufsbedingten Aufwendungen
  • Die Höhe berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten
  • Verwendungen eines Teils der Einkünfte zur Vermögensbildung
  • Die Einkommensverhältnisse eines neuen Ehegatten oder Lebensgefährten, wenn er diesem gegenüber unterhaltspflichtig ist.

Fußnoten