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von Göler (Hrsg.) / Vera Knatz / § 1584

§ 1584 Rangverhältnisse mehrerer Unterhaltsverpflichteter

Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte haftet vor den Verwandten des Berechtigten. Soweit jedoch der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist, haften die Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten. § 1607 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Nach der in § 1584 BGB festgelegten Rangfolge haftet vorrangig der geschiedene Ehegatte für den geschuldeten nachehelichen Unterhalt.

Ist der geschiedene Ehegatte aber nicht oder nur begrenzt leistungsfähig, haften die Verwandten des Berechtigten.

Ebenso haften die Verwandten des Berechtigten, wenn bereits dem Grunde nach keine Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten besteht, z.B. weil die Voraussetzungen für einen nachehelichen Unterhalt nicht gegeben sind oder weil der berechtigte Ehegatte seinen Anspruch verwirkt hat. Da es sich in diesem Fall um eine eigenständige Unterhaltsverpflichtung handelt, können die Verwandten keine Erstattung in Höhe der von ihnen geleisteten Unterhaltszahlungen von dem Verpflichteten fordern.

Ab wann eine Leistungsunfähigkeit besteht, wird kontrovers diskutiert. Die herrschende Meinung vertritt die Ansicht, dass eine Leistungsunfähigkeit gegeben ist, wenn der Mindestselbstbehalt, welchen der Unterhaltspflichtige gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten wahren darf, verletzt wird. Die Höhe des Mindestselbstbehalts eines Ehegatten bestimmt sich nach allgemeinen Maßstäben. Die Oberlandesgerichte haben in ihren Unterhaltsleitlinien diesen Mindestselbstbehalt gegenüber getrennt lebenden und geschiedenen Unterhaltsberechtigten bei Erwerbstätigen aktuell ( 2023 ) auf 1.510,00 € monatlich, bei nicht Erwerbstätigen auf regelmäßig 1.385,00 € beziffert. In diesem Selbstbehalt sind 580,00 € zur Deckung des Wohnbedarfes (davon 435,00 € für Kaltmiete und 145,00 € für Nebenkosten) eingepreist.

Besteht eine Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehegatten dem Grunde nach und ist der Unterhaltspflichtige auch leistungsfähig, ist aber eine Rechtsverfolgung gegen den Unterhaltspflichtigen nicht oder nur sehr schwer möglich, tritt in diesem Fall eine Ersatzhaftung der Verwandten ein. Es erfolgt dann nach § 1584 Satz 3 BGB i.V.m. § 1607 BGB ein gesetzlicher Forderungsübergang. Dies bedeutet, dass in Höhe der tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen der Unterhaltsanspruch des berechtigten Ehegatten auf den Verwandten übergeht und dieser ein eigenes Recht erhält, von dem Verpflichteten die Erstattung seiner erbrachten Unterhaltsleistungen zu verlangen.

Die Erschwernis der Rechtsverfolgung ist bereits gegeben, wenn z.B. durch laufende Ortswechsel oder bei unbekanntem Aufenthalt des Verpflichteten ein Zahlungstitel nicht erwirkt werden kann. Eine Erschwernis liegt auch vor, wenn aus einem vollstreckbaren Titel nicht erfolgreich vollstreckt werden kann, weil der Schuldner unbekannt verzogen ist, seine Arbeitsstelle ständig wechselt, kein pfändbares Einkommen vorliegt. Eine Erschwernis liegt aber vor allem vor, wenn ein Unterhaltstitel aufgrund eines fiktiv angerechneten Erwerbseinkommen erwirkt werden konnte - ein fiktives Einkommen wird dem Unterhaltsschuldner angerechnet, wenn dieser nachhaltig und vorwerfbar gegen seine Erwerbsobliegenheit verstoßen hat -, oder wenn er sich um Ausland aufhält und dort eine Vollstreckung nicht oder kaum möglich ist.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2In § 1584 BGB wird die Rangfolge der Unterhaltspflichtigen bezogen auf den nachehelichen Unterhalt festgelegt. Danach haftet der geschiedene Ehegatte vorrangig vor den Verwandten des unterhaltsberechtigten Ehegatten, da die Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten in der Regel ehebedingt ist. Auch begründet sich die vorrangige Verpflichtung der Ehegatten zur Leistung von Unterhalt in der nachehelichen Solidarität.

2) Abgrenzungen, Kasuistik

a.     Regelungsinhalt

aa.       Vorrangige Haftung des geschiedenen Ehegatten

3Ist der geschiedene Ehegatte leistungsfähig, haftet er vorrangig vor den Verwandten des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Diese Vorranghaftung besteht auch dann, wenn die Eltern des Berechtigten wohlhabend und leistungsfähiger sind als der Unterhaltspflichtige. Ein Wahlrecht hinsichtlich der Inanspruchnahme des geschiedenen Ehegatten oder des Verwandten besteht insofern nicht.

Besteht neben dem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt noch ein Anspruch nach § 1615 l BGB, haften der geschiedene Ehegatte und der nichteheliche Vater bzw. die nichteheliche Mutter anteilig nach § 1603 Abs. 3 S 1 BGB analog.So auch NK-BGB/Sonders § 1584 BGB Rn. 15

bb.       Vorrangige Haftung der Verwandten des Berechtigten

4Die Verwandten haften nur dann vorrangig und damit originär, wenn der geschiedene Ehegatte nicht leistungsfähig ist.

Ist der geschiedene Ehegatte nur teilweise leistungsfähig, verbleibt es bei der vorrangigen Haftung des geschiedenen Ehegatten. Nur hinsichtlich des Teils des Unterhalts, welcher von dem geschiedenen Ehegatten nicht geleistet werden kann, haften die Verwandten vorrangig und damit originär.

Haften die Verwandten aus eigener originärer Verpflichtung für den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, weil der eigentlich vorrangig verpflichtete Ehegatte leistungsunfähig ist, ist kein Rückgriff gegen den leistungsunfähigen Unterhaltspflichtigen über § 1607 Abs. 2 Satz 2 BGB möglich. Ebenso wenig kann der von den Verwandten geleistete Unterhalt nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleichs, der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts zurückgefordert werden.

5Die Verwandten haften aber auch dann originär, wenn kein Anspruch gegen den geschiedenen Ehegatten besteht,

-          weil die Voraussetzungen der §§ 1570, 1573, 1575, 1576 BGB nicht erfüllt ist

-          weil der Unterhaltsanspruch der Zeit und Höhe nach begrenzt ist nach § 1578b BGB

-          weil der Unterhaltsanspruch verwirkt ist nach § 1579 BGB

-          weil ein Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten nach Wiederverheiratung erloschen und nicht wieder aufgelebt ist nach §§ 1586, 1586a BGB

-          weil der Unterhaltsanspruch aufgrund wirksamer vertraglicher Vereinbarung nicht mehr besteht.

Ein Unterhaltsverzicht gegenüber dem verpflichteten Ehegatten, welcher erkennbar und gewollt zu Lasten der Verwandten geht, ist jedoch unwirksam.

Hat ein geschiedener Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise nach § 1579 BGB verloren, wirken die Gründe dieser Verwirkung nicht auch zugunsten der Verwandten. Ob ein Anspruch auf Verwandtenunterhalt verwirkt ist, richtet sich allein nach § 1611 BGB.MüKo/Maurer § 1584 BGB RN 21 Eine analoge Anwendung des § 1611 Abs. 3 BGB auf die Fälle der Verwirkung nach § 1579 BGB ist nicht möglich. Es gibt keine Lücke, vielmehr hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik des § 1611 Abs. 2 BGB keine entsprechende Regelung getroffen.

cc.       Leistungsunfähigkeit des Verpflichteten

6Die Frage, wann der Verpflichtete nach der Vorschrift des § 1984 S. 2 BGB nicht oder nicht in vollem Umfang leistungsfähig ist, wird unterschiedlich beantwortet.

Nach der Vorschrift des § 1581 BGB braucht der Verpflichtete, der nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung „des eigenen angemessenen Unterhalts“ dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Soweit dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen ist, nach welchem Maßstab sich hierbei der “eigene angemessene Unterhalt” des Verpflichteten richtet, wird streitig diskutiert, ob sich die Leistungsunfähigkeit nach § 1984 BGB nach dem eigenen eheangemessene Selbstbehalt oder dem angemessenen Selbstbehalt nach den allgemeinen Maßstäben richtet.

Der „eheangemessene“ Unterhalt richtet sich nach den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute und bildet daher eine variable Größe, die dem Bedarf des Bedarf des Berechtigten zuzüglich des Erwerbstätigenbonus aus dem Arbeitseinkommen des Verpflichteten entspricht. Der eheangemessene Selbstbehalt kann daher höher liegen als der angemessene Selbstbehalt.

7Der angemessene Selbstbehalt, welcher nach allgemeinen Maßstäben gegenüber einem unterhaltsberechtigten Ehegatten gewahrt werden soll, wird nach den Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte aktuell (2023) mit 1.510,00 € monatlich für einen Erwerbstätigen und mit 1.385,00 € für einen Nichterwerbstätigen angesetzt. Von diesen Betrag sind 580,00 € für den Wohnbedarf (435,00 € Kaltmiete, 145,00 € für Nebenkosten und Heizung) vorgesehen.so z.B. Unterhaltsleitlinien des OLG Frankfurt am Main Punkt 21.4

8Eine Auffassung vertritt die Ansicht, dass sich die Leistungsfähigkeit nach § 1584 BGB nach dem eigenen eheangemessenen Unterhalt Bedarf nach § 1578 BGB richtet.BGH v. 08.10.1989 - IV b ZR 89/88 -, NJW 1990, 1172; MüKo/Maurer § 1984 BGB Rn. 14 ff. Diese Auffassung begründet sich darin, dass die ehelichen Lebensverhältnisse das Maß für den nachehelichen Unterhalt seien. Da die geschiedenen Eheleute grundsätzlich in gleicher Weise am verfügbaren Einkommen partizipieren, entspricht der dem Berechtigten geschuldete Unterhalt regelmäßig auch dem Maßstab für den eigenen Bedarf des Verpflichteten. Die Gleichsetzung des eigenen angemessenen Unterhalts mit dem eheangemessenen Unterhalt soll nach dieser Auffassung vermeiden, dass der Unterhaltsberechtigte unter Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe seinen vollen eheangemessenen Unterhalt erhält, während der Verpflichtete erst als nicht mehr voll leistungsfähig behandelt wird, wenn ein generell bestimmter, womöglich unter seinem eheangemessenen Bedarf liegender Selbstbedarf gefährdet würde.

Die in § 1581 BGB vorgeschriebene Abwägung hat neben der Sicherung des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichtigen auch den Zweck, das verfügbare Einkommen so unter den (geschiedenen) Eheleuten zu verteilen, dass die dem Berechtigten zustehenden Unterhaltsleistungen nicht in einem unbilligen Verhältnis zu den Mitteln stehen würden, welche dem Verpflichteten für seinen eigenen Bedarf verblieben. Um diesem Zweck voll gerecht zu werden, muss sie aber bereits eröffnet sein, wenn der Verpflichtete den vollen geschuldeten Unterhalt nicht ohne Gefährdung seines eigenen eheangemessenen Unterhalts leisten kann. Zudem sei nach der Scheidung der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit zu berücksichtigen.

9Die Gegenmeinung vertritt dagegen die Ansicht, dass die Leistungsfähigkeit sich nur nach dem angemessenen Selbstbehalt, also bemessen nach allgemeinen Maßstäben, richten könne.Grüneberg/Pückler § 1584 BGB Rn. 3; NK-BGB/Sanders § 1584 Rn. 5 Bei der Vorschrift des § 1584 BGB handele es sich im Gegensatz zu § 1581 BGB um eine Billigkeitsregelung zwischen dem geschiedenen Ehegatten und den Verwandten des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Es wäre unbillig, wenn der vorrangig verpflichtete Ehegatte sich auf den Schutz eines höheren Bedarfes – bemessen nach den ehelichen Lebensverhältnissen - berufen könne, als die eigentlich „nachrangig“ verpflichteten Verwandten. Würden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten und die Verwandten stark auseinanderfallen, was der Fall wäre, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten deutlich höher waren, als die der Verwandten – führt die erstgenannte Meinung schnell zu Ergebnissen, welche als unbillig gewertet werden müssen.

So könnte beispielsweise der unterhaltspflichtige Ehegatte unter Verweis auf die hohen Einkommensverhältnisse einen eheangemessenen Selbstbehalt für sich beanspruchen, während die unterhaltspflichtigen Verwandten – zumeist die Eltern des unterhaltsberechtigten Ehegatten – nur einen deutlich niedrigeren Selbstbehalt für sich geltend machen können. Dies hätte das unbillige Ergebnis, dass dem eigentlich vorrangig für den Ehegattenunterhalt haftenden Ehegatten ein höherer Betrag zur Finanzierung seiner eigenen Bedarfspositionen verbleiben würde, als den nachrangig verpflichteten Verwandten.

Dieser zweiten Auffassung ist daher der Vorzug zu geben, da sie zu gerechteren Ergebnissen führt. Sie bietet auch mehr Rechtssicherheit, da sich der angemessene Bedarf aus den Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte und auch der Düsseldorfer Tabelle ergibt. Zudem hat diese Auffassung den Vorteil, dass auch in den Fällen, in denen der eheangemessene Bedarf unterhalb des angemessenen Bedarfs liegt, der angemessene Bedarf gewahrt bleibt und die Grenze bildet, ab der die Verwandten vorrangig haften.

dd. Anrechnung fiktive Einkünfte

10Sollte die Leistungsunfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten durch eine Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit begründet sein, werden dem Ehegatten die Einkünfte hinzugerechnet, welche er erzielen könnte, wenn er eine Erwerbstätigkeit bezogen auf seine berufliche Qualifikation und Erfahrung ausüben würde.MüKo/Maurer § 1578 RN. 413 Würde der Ehegatten bei Anrechnung dieser fiktiven Einkünfte leistungsfähig sein, ist der Ehegatte als leistungsfähig anzusehen mit der Folge, dass der Verwandte dann nicht aufgrund der Ausfallhaftung nach Satz 2, sondern gegebenenfalls aufgrund der Ersatzhaftung nach Satz 3 haftet.

b.       Ersatzhaftung der Verwandten (Satz 3 i.V.m. § 1607 Abs. 2 S. 1 BGB)

11Sollte die Rechtsverfolgung gegen den geschiedenen Ehegatten erheblich erschwert sein, tritt eine Ersatzhaftung der Verwandten des Berechtigten ein. Als Erschwernis können sowohl die Einforderung im Erkenntnisverfahren als auch die Vollstreckung bereits titulierter Ansprüche in Betracht kommen infolge unbekannten oder ständig wechselnden Aufenthalts des Verpflichteten, dauernder Wechsel der Arbeitsstelle, erfolglose Vollstreckungsversuche aufgrund von Vermögenslosigkeit.

Im Fall des Nichtnutzens einer Erwerbsmöglichkeit sind dem Verpflichteten fiktive Einkünfte aus der Erzielung einer zumutbaren Tätigkeit anzurechnen. Soweit sich dann eine Leistungsfähigkeit ergibt, in diese fiktiven Erwerbseinkünfte aber nicht vollstreckt werden kann, ergibt sich insoweit keine vorrangige Haftung der Verwandten nach § 1584 S. 2 BGB, sondern eine Ersatzhaftung nach § 1584 S. 3 BGB.

Wenn eine inländische Zuständigkeit der anzurufenden Gerichte nicht gegeben ist, kann nach § 1607 BGB ebenfalls auf den Ersatzhaftenden zurückgegriffen werden. Eine erhebliche Erschwerung liegt aber nicht, vor wenn der Berechtigte im Ausland aufgrund internationaler Übereinkommen ähnlich einfach wie im Inland seine Rechte verfolgen kann. Eine erhebliche Erschwerung liegt ebenfalls nicht vor, wenn ein deutscher Unterhaltstitel im Ausland automatisch anerkannt wird.Grüneberg/von Pückler § 1607 BGB Rn. 12 Eine Ersatzhaftung der Verwandten tritt nur ein, wenn die Rechtsverfolgung im Ausland auf wesentlich stärkere Widerstände stößt, als im Inland.NK-BGB/Sanders § 1584 BGB Rn. 9

c.       Gesetzlicher Forderungsübergang (S. 3 i.V.m. § 1607 Abs. 2 S. 2 BGB)

12Diese Ersatzhaftung ist keine vorrangige und damit keine originäre Haftung. Vielmehr geht auf den Verwandten, welcher im Wege der Ersatzhaftung nach § 1584 BGB in Anspruch genommen wurde, der Unterhaltsanspruch in Höhe der von ihm tatsächlich erfolgten Leistung über. Der Unterhaltsanspruch geht aber auch nur in dem Umfang über, wie er gegen den Verpflichteten bestanden hat. D.h. der Unterhaltspflichtige kann sich gegen den Verwandten auf fehlende Bedürftigkeit des Berechtigten, auf eine Leistungsunfähigkeit, auf eine Begrenzung nach § 1578 b BGB, auf eine Verwirkung nach § 1579 BGB oder auch Beschränkungen nach § 1585 b BGB, und natürlich auch auf die Einrede der Verjährung berufen.

Für diesen Forderungsübergang gilt § 412 BGB. Damit gehen auch die den Anspruch sichernden Rechte auf den Verwandten über. Da durch die Zahlung des benötigten Unterhalts dieser Anspruch seine Zweckbestimmung verliert, kann dieser Anspruch abgetreten, gepfändet und verpfändet werden. Auch eine Aufrechnung gegen den Anspruch ist möglich.MüKo/Maurer § 1584 BGB RN. 26; NK-BGB/Sanders § 1584 BGB RN. 11

Die Pfändungseinschränkungen des § 850 b ZPO und das Pfändungsvorrecht des § 850d ZPO gelten damit auch nicht.MüKoBGB/Maurer, § 1584 BGB Rn.  26  

d.           Schutz des Berechtigten (S. 3 i.V.m § 1607 Abs. 4)

13Zum Schutz des Unterhaltsberechtigten regelt § 1584 Satz 2 BGB i.V.m. § 1607 Abs. 2 BGB, dass nur in der Höhe, in der ein Verwandter die Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten erfüllt, die Forderung übergeht. Der Restanspruch verbleibt dem Berechtigten. Dieser Restanspruch bleibt auch vorrangig vor dem Regressanspruch des Verwandten, da der Restanspruch originär ist und seine Zweckbestimmung zur Sicherung des laufend benötigten Unterhalts nicht verloren hat.

Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners dürfen daher Verpflichtungen, welche mit dem Forderungsübergang zusammenhängen, nicht berücksichtigt werden.

Im Vollstreckungsverfahren ist zwar von Amts wegen der Vorrang des Unterhaltsberechtigten vor dem Regressanspruch des Verwandten zu berücksichtigen. Der BGH empfiehlt aber sicherzustellen, dass der Bestand einer solchen berechtigten Forderung bekannt wird. Die Zahlungsverpflichtung soll daher mit der Einschränkung erfolgen, dass der Beschluss nur vollstreckt werden darf, wenn und soweit der Unterhaltsgläubiger bei der Durchsetzung seiner Unterhaltsforderung nicht benachteiligt wird.BGH vom 23.08.2006 – XII ZR 26/04 -, NJW 2006, 3561; MüKo/Maurer § 1584 BGB RN, 28

e.            Freiwillige Leistung Dritter

14Leisten Dritte an Stelle des Verwandten, geht dieser Anspruch nicht nach § 1584 S. 3 BGB auf diese über. Diese erwerben einen eigenen Erstattungsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen nach §§ 677 BGB ff. (Geschäftsführung ohne Auftrag), §§ 812 ff. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung).NK-BGB/Sanders § 1584 BGB RN. 17

f.          Praktische Hinweise

15Die Verwandten haften nur im Rahmen des Verwandtenunterhalts nach den §§ 1601 ff. BGB. Damit schulden sie keinen Altersvorsorgeunterhalt gemäß § 1578 Abs. 3 BGB.

Hat der unterhaltsberechtigte Ehegatten seinen Anspruch gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten nach § 1579 BGB verwirkt, ist fraglich, ob dann die Verwandten haften oder ob die Vorschrift des § 1611 Abs. 3 BGB analog angewendet werden kann. Nach § 1611 Abs. 3 BGB kann der Bedürftige wegen einer Einschränkung seines Anspruches nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen. Der Gesetzgeber hat aber keinen Verweis auf diese Vorschrift in das Ehegattenunterhaltsrecht aufgenommen, was gegen eine analoge Anwendbarkeit spricht.BGH vom 21. 1. 1998 - XII ZR 85–96 -, NJW 1998, 1309; MüKo/Maurer § 1584 BGB Rn. 7 ff. Auch zeigt sich bei den einzelnen Tatbeständen des § 1579 BGB, dass die dort aufgelisteten Verwirkungstatbestände nicht für einen Wegfall einer Unterhaltsberechtigung auch gegenüber den Verwandten herangezogen werden können, wie z.B. bei einer kurzen Ehezeit.

Vereinbart der Unterhaltsberechtigte in einem Ehevertrag die Beschränkung oder den Verzicht auf den ihm zustehenden nachehelichen Unterhalt, muss im Einzelfall geprüft werden, ob diese vertragliche Vereinbarung der Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle standhält. Ist die Vereinbarung wirksam, muss der Verwandte diese Wirksamkeit auch gegen sich gelten lassen.

Wird insbesondere in einer Scheidungsfolgenvereinbarung eine Beschränkung oder ein Verzicht auf einen Unterhaltsanspruch erklärt, dürfte es sich in der Regel um einen Vertrag zu Lasten Dritter handeln mit der Folge, dass dann auch kein Unterhaltsanspruch gegen den Verwandten besteht.

3) Zusammenfassung der Rechtsprechung

BGH vom 21. 1. 1998 - XII ZR 85/96 -, NJW 1998, 1309

BGH vom 08.10.1989 - IV b ZR 89/88 -, NJW 1990, 1172

BGH vom 23.08.2006 – XII ZR 26/04 -, NJW 2006, 3561

4) Literaturstimmen

MüKo/Maurer § 1984 BGB Rn. 14 ff., 26, 28

MüKo/Maurer § 1578 RN. 413

Grüneberg/von Pückler § 1584 BGB Rn. 3;

Grüneberg/von Pückler § 1607 BGB Rn. 12

NK-BGB/Sanders § 1584 Rn. 5, 9, 11, 15, 17

5) Häufige Paragraphenketten

§ 412 BGB

§ 677 BGB

§ 812 BGB

§§ 1570, 1573, 1575, 1576 BGB

§ 1578 BGB

§ 1578b BGB

§ 1579 BGB

§ 1581 BGB

§ 1585b BGB

§§ 1586, 1586a BGB

§ 1603 Abs. 3 Satz 1 BGB

§ 1607 Abs. 2 Satz 3 BGB

§ 1611 BGB

§ 1615 l BGB

§ 13 ZPO

§ 850 b ZPO

§ 850 d ZPO

§ 112 FamFG

§ 232 FamFG

6) Prozessuales


Fußnoten