Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Dorothee Höcker / § 1385
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§ 1385 Vorzeitiger Zugewinnausgleich des ausgleichsberechtigten Ehegatten bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft

Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn

  • 1. die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben,
  • 2. Handlungen der in § 1365 oder § 1375 Absatz 2 bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist,
  • 3. der andere Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, dass er sie auch in Zukunft nicht erfüllen wird, oder
  • 4. der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert oder sich ohne ausreichenden Grund bis zur Stellung des Antrags auf Auskunft beharrlich geweigert hat, ihn über den Bestand seines Vermögens zu unterrichten.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Will sich ein Ehegatte, ohne dass bereits Scheidungsantrag gestellt wird oder aber eine einvernehmliche Regelung in Form der Gütertrennung getroffen werden kann, zu Ehezeiten aus der Zugewinngemeinschaft lösen, erlangt § 1385 BGB für ihn Bedeutung. Er kann auf diese Weise entweder erreichen, dass seine vermeintliche eigene Ausgleichsforderung gegenüber dem anderen Ehegatten vorzeitig festgestellt wird, oder aber dass der andere Ehegatte von einem Vermögenszuwachs in Zukunft nicht mehr profitiert.

a) Trennungszeit 3 Jahre 

Voraussetzung für die vorzeitige Geltendmachung der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und eines evtl. damit verbundenen Zugewinnausgleichsanspruches ist nach § 1385 Nr. 1 BGB zunächst eine Trennungszeit der Eheleute von mindestens drei Jahren. Die Trennungsgründe spielen dabei keine Rolle. Das Getrenntleben beginnt in der Regel, wenn die Eheleute wirtschaftlich getrennte Haushalte (ggf. auch innerhalb einer Wohnung) führen und zudem zumindest einer von ihnen die Ehe nach außen erkennbar nicht fortführen will. Hintergrund für die Drei-Jahres-Frist ist, dass nach dem Gesetz bei einer derart langen Trennungszeit unwiderlegbar vermutet wird, dass die Ehe gescheitert ist (§ 1566 II BGB).

Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. In der Praxis problematisch ist des Öfteren nur die Frage, wann konkret eine Trennung im oben genannten Sinne erfolgt ist. Während dies für den einen Ehepartner klar war, ist dies für den anderen Ehepartner oftmals nicht der Fall. Hier spielt die Einstellung dazu, was unter häuslicher Lebensgemeinschaft schon während der Ehezeit verstanden wurde, eine entscheidende Rolle. Bis beiden Seiten deutlich ist, dass eine Trennung eingetreten ist, zieht sich diese Phase oftmals über einen längeren Zeitraum hin. Letztlich müsste derjenige Ehegatte, der einen vorzeitigen Zugewinnausgleich nach § 1385 BGB fordert, darlegen und beweisen, wann konkret die Trennung eingetreten ist.

b) Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung 

Alternativ besteht auch dann die Möglichkeit, einen vorzeitigen Zugewinnausgleich ohne Einleitung eines Scheidungsverfahrens zu verlangen, wenn der andere Ehegatte durch bestimmte Handlungen die Befürchtung erweckt, der künftige Ausgleichsanspruch des anderen werde geschmälert. Wie hoch die Gefahr sein muss, um einen vorzeitigen Zugewinnausgleich nach der Regelung des § 1385 Nr. 2 BGB fordern zu können, hängt maßgeblich von der Höhe des in Frage stehenden Vermögens, aber auch der Wahrscheinlichkeit des entsprechenden Schadenseintritts ab.Palandt/Brudermüller, BGB, 73. Aufl. (2014), § 1386 Rn. 6. 

Zwar wird der zugewinnausgleichsberechtigte Ehegatte grundsätzlich schon durch die Regelungen in den §§ 1365 sowie 1375 Abs. 2 BGB geschützt. Die Regelungen zu § 1385 BGB gehen jedoch darüber hinaus. So kann es vorkommen, dass ein Ehepartner nach der Trennung Vermögenswerte zwecks absichtlicher Benachteiligung des anderen Ehepartners beiseite schafft und ihm diese dann über § 1375 Abs. 2 BGB zwar – wenn auch nicht mehr vorhanden – gleichwohl wieder zugerechnet werden. Es wird mithin so getan, als befänden sich die Vermögensgegenstände noch im Eigentum des Ehegatten, der diese zuvor veräußert hat. Rein rechnerisch bleibt mithin die illoyale Vermögensverschwendung unberücksichtigt. Gleichwohl könnte es dadurch dazu kommen, dass der errechnete Ausgleichsanspruch praktisch nicht mehr durchgesetzt werden kann, weil der ausgleichspflichtige Ehepartner das Vermögen tatsächlich nicht mehr zur Verfügung hat. Um dem zuvor zu kommen, hilft § 1385 BGB mit der Regelung, dass bei ersten Anzeichen und einer naheliegenden Möglichkeit der Vermögensverschwendung zu Lasten des ausgleichsberechtigen Ehepartners dieser sofort tätig werden kann und seinen vermeintlichen Ausgleichsanspruch auch ohne Scheidungsantrag geltend machen kann.

Die Befürchtung illoyaler Vermögensgeschäfte zum Nachteil eines Ehegatten ist etwa dann anzunehmen, wenn der andere Ehegatte seine Immobilie als seinen wesentlichen Vermögenswert zum Kauf anbietet, ohne dass hierfür die Zustimmung des anderen vorliegt. Auch spricht etwa die Auflösung von Konten und ein evtl. Transfer der Geldbeträge ins Ausland ohne Zustimmung des anderen Ehegatten für eine solche naheliegende Möglichkeit der illoyalen Vermögensminderung.Johannsen-Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl. (2010), § 1385 Rn. 3; MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), §§ 1385, 1386 Rn. 16 zur Buchung teurer Ferienreisen. 

Ist eine solche Handlung bereits erfolgt, ist § 1375 III BGB zu beachten. Danach spielt diese keine Rolle mehr, wenn bereits zehn Jahre vergangen sind oder aber der benachteiligte Ehegatte mit der Vermögensverfügung des anderen einverstanden war.

c) Schuldhafte Nichterfüllung wirtschaftlicher Verpflichtungen 

Vorzeitiger Zugewinnausgleich kann ebenfalls dann verlangt werden, wenn ein Ehegatte längere Zeit hindurch seine sich aus den ehelichen Verhältnissen ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen schuldhaft nicht erfüllt hat und davon auszugehen ist, dass dies auch in der Folgezeit nicht geschieht (§ 1385 Nr. 3 BGB).

Wann von einer länger andauernden Nichterfüllung der Verpflichtungen auszugehen ist, entscheidet sich nach dem Einzelfall. Maßgebend ist dabei insbesondere die bislang zurückgelegte Dauer der Ehe im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.Johannsen-Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl. (2010), § 1385 Rn. 4. Auf das Ausmaß der durch das pflichtwidrige Verhalten entstehenden Nachteile für den anderen Ehegatten kann schlechterdings nicht abgestellt werden, da dieses letztlich erst am Ende des Verfahrens feststeht.

Zu den wirtschaftlichen Verpflichtungen, die verletzt worden sein müssen, zählen etwa Verletzungen der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen inkl. der Pflicht zur HaushaltsführungJohannsen-Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl. (2010), § 1385 Rn. 4. oder aber auch der Verrat von Geschäftsgeheimnissen, der den anderen Ehepartner wirtschaftlich schaden kann. Auch die Verletzung von Pflichten gegenüber den gemeinsamen Kindern im wirtschaftlichen Bereich kann hierunter fallen.

Das Verschulden bemisst sich nach § 1359 BGB. Danach haben Ehegatten bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Geschieht dies, kann nicht mehr von einer schuldhaften Pflichtverletzung die Rede sein.

Die festgestellte, schuldhafte Pflichtverletzung muss sodann auch in der Zukunft zu befürchten sein. Um dies beurteilen zu können, sind alle Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Die Fortsetzung des pflichtwidrigen Verhaltens durch den Ehegatten muss wahrscheinlicher sein, als eine positive Verhaltensänderung.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1385 Rn. 23. Hierfür reichen bloße Erklärungen des Ehegatten zur Besserung seines Verhaltens nicht ohne weiteres aus. Es müssen Umstände hinzukommen, die auf die Glaubhaftigkeit der Erklärung schließen lassen.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1385 Rn. 23. 

d) Verweigerung der Auskunftserteilung 

Ein weiterer Grund, einen vorzeitigen Zugewinnausgleich zu verlangen, besteht dann, wenn der andere Ehegatte sich beharrlich weigert, Auskunft über den Bestand seines Vermögens zu erteilen (§ 1385 Nr. 4 BGB). Ein Auskunftsanspruch über das Vermögen des jeweils anderen Ehegatten besteht während gemeinsamer Ehezeit nach § 1353 BGB und nach der Trennung gem. § 1379 BGB. Eine beharrliche Weigerung der Auskunftserteilung liegt vor, wenn der andere Ehegatte zum wiederholten Mal erfolglos aufgefordert wurde, Auskunft zu erteilen oder aber sogleich deutlich und unmissverständlich dahin geäußert hat, keine Auskunft erteilen zu wollen.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1385 Rn. 28. Ein solches Verhalten legt die Vermutung nahe, dass Vermögen zum Nachteil des auskunftsersuchenden Ehegatten verschwiegen werden soll, um ihn nicht hieran beteiligen zu müssen. Erteilt der auskunftsverpflichtete Ehegatte dann im Rahmen des Gerichtsverfahrens die geforderte Auskunft, bleibt gleichwohl der Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich nach § 1385 BGB bestehen.Johannsen-Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl. (2010), § 1385 Rn. 5. 

Zu der beharrlichen Weigerung hinzukommen muss, dass kein ausreichender Grund hierfür genannt wird. Ein ausreichender Grund für die Verweigerungshaltung liegt etwa vor, wenn dem anderen Ehegatten damit Informationen an die Hand gegeben werden, die er mit hoher Wahrscheinlichkeit zu geschäftsschädigenden Maßnahmen nutzt.Palandt/Brudermüller, BGB, 73. Aufl. (2014), § 1386 Rn. 8. Demgegenüber ist die bloße Befürchtung, der andere Ehegatte könnte das Vermögen verschwenden, kein ausreichender Grund zur Auskunftsverweigerung. Letztlich muss auch hier wieder auf den Einzelfall abgestellt werden.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Mit der Reform zum 01.09.2009 ist der Anwendungsbereich der §§ 1385, 1386 BGB erweitert worden. Dies u.a. deshalb, damit der antragstellende Ehegatte nicht mehr darauf angewiesen ist, zuvor einen rechtskräftigen Beschluss des Familiengerichts über die Beendigung des Güterstandes zu erzielen, um erst anschließend seine Auskunfts- und Leistungsansprüche geltend machen zu können. Nicht zuletzt um einen weitergehenden Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu erzielen, besteht nunmehr die Möglichkeit, neben dem Antrag auf Beendigung des Güterstandes unmittelbar auch einen Auskunfts- und Zahlungsantrag durchzusetzen. Dies beschleunigt das Verfahren nicht unerheblich und verkürzt so mithin auch den Zeitraum, in dem der ausgleichsverpflichtete Ehegatte möglicherweise illoyale Vermögensverfügungen vornehmen kann. 

2) Definitionen

Getrenntleben

Nach der Legaldefinition des § 1567 I BGB leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Der Begriff enthält mithin ein objektives und ein subjektives Element. Objektiv ist die Trennung der Haushalts- und Lebensführung erforderlich, subjektiv die Absicht zumindest eines Ehegatten, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht fortzusetzen. 

3) Abgrenzungen, Kasuistik

4Die Regelung des § 1385 BGB steht nicht zur Disposition der Eheleute und ist damit zwingendes Recht.MüKo/Koch, BGB, 6. Auflage (2013), § 1385 Randnummer 41 Dem steht nicht entgegen, dass auch die Möglichkeit besteht, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig durch notariellen Ehevertrag einvernehmlich zu beenden.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

  • 5OLG Celle, Beschluss vom 31.03.2014
  • AG Köln, Beschluss vom 03.02.2014
  • OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2014
  • OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.03.2012
  • OLG München, Beschluss vom 15.02.2012

5) Literaturstimmen

  • 6Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, 2014
  • Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 7: Familienrecht I, §§ 1297-1588, GewSchG, VersAusglG, LPartG, 6. Auflage 2013

6) Häufige Paragraphenketten

7§§ 1385, 1386 BGB

7) Prozessuales

Der Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns ist erstinstanzlich beim Familiengericht zu stellen.

Der Antrag nach § 1385 BGB umfasst einen sog. Gestaltungsantrag mit dem Ziel der Beendigung des Güterstandes sowie einen Leistungsantrag – ggf. in Form eines sog. Stufenantrages – mit dem Ziel der Verpflichtung des anderen Ehegatten zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs. Der Antrag kann nicht mit einem evtl. Scheidungsverfahren verbunden werden, da er gerade unabhängig von dem Scheidungsverfahren gestellt wird.

Es bestehen keine Antragsfristen. Allerdings kommt unter Umständen eine Verwirkung des Antragsrechts nach § 242 BGB in Betracht, wenn Umstände bekannt werden, die zu einem vorzeitigen Zugewinnausgleich berechtigen, in der Folge über einen längeren Zeitraum dann jedoch von dem Recht auf vorzeitigen Zugewinnausgleich kein Gebrauch gemacht wird.

Das Verfahren ist beendet, wenn die Eheleute eine Einigung über die Beendigung der Zugewinngemeinschaft und eine evtl. Ausgleichszahlung treffen. Dasselbe gilt, wenn die Eheleute vereinbaren, die Zugewinngemeinschaft zwar fortzuführen, einem Ehegatten jedoch eine Ausgleichszahlung bis zu einem bestimmten Datum zu gewähren, die zu einem späteren Zeitpunkt ggf. auf die noch abschließend zu berechnende Zugewinnausgleichszahlung angerechnet werden soll.


Fußnoten