Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Vera Knatz / § 1939

§ 1939 Vermächtnis

Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis).

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

11.    Normzweck und Bedeutung

Die Vorschrift bestimmt, dass der Erblasser einzelne Vermögensgegenstände Personen durch eine letztwillige Verfügung zuwenden kann, ohne dass diese Erben werden.
Definitionen von diversen Vermächtnissen finden sich verstreut im BGB. Nähere Regelungen zu einem Vermächtnis sind in den §§ 2147 bis 2191 BGB enthalten.

22.    Begriff

Ein Vermächtnis kann nur durch eine letztwillige Verfügung zugewendet werden.
Der Vermächtnisnehmer erwirbt aber nicht durch den Erbfall selbst den Gegenstand - im Gegensatz zum Erben, welcher durch die Annahme der Erbschaft automatisch Rechtsnachfolger des Erblassers wird.
Sondern der Vermächtnisnehmer erwirbt nur einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen den Erben oder den Beschwerten auf Übertragung des Vermächtnisobjekts, § 2174 BGB.
Er muss daher diesen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses explizit von dem Erben bzw. dem Beschwerten einfordern.
Ob der Bedachte zudem nur Vermächtnisnehmer oder sogar Erbe sein soll, hängt von dem tatsächlichen Erblasserwillen ab, da der Wortlaut der jeweiligen letztwilligen Verfügung oftmals nicht dem tatsächlichen Willen des Erblassers entspricht. Wendet der Erblasser dem Vermächtnisnehmer einen Vermögenswert zu, welcher nahezu den gesamten Nachlass erschöpft, kann es sich vielmehr um eine Erbeinsetzung handeln, auch wenn nach dem Wortlaut des Testament der Bedachte nur Vermächtnisnehmer und eine andere Personen Erbe sein soll.
Der Vermächtnisnehmer hat kein Anwartschaftsrecht.
Hat der Erblasser nichts anderes bestimmt, fällt das Vermächtnis mit dem Tod des Erblassers an und wird dann auch fällig.

33.    Bedeutung

Das Vermächtnis wird in letztwilligen Verfügungen sehr häufig angeordnet. Denn der Erblasser kann durch ein Vermächtnis natürliche und juristische Personen mit Vermögenswerten bedenken, ohne dass diese Erben und damit Mitglieder der Erbengemeinschaft werden. Damit wird das Konfliktpotential in der auf Konsens angelegten Erbengemeinschaft von vornherein gering gehalten.
Hauptsächlich werden durch ein Vermächtnis Bargeld oder Wertgegenstände zugesprochen.
Es können aber auch Nutzungsrechte wie der Nießbrauch oder das Wohnungsrecht durch ein Vermächtnis angeordnet werden.
Ferner können laufende Zahlungen an den Vermächtnisnehmer in Form eines Rentenvermächtnisses verfügt werden.
Auch bei der Gestaltung von Behindertentestamenten oder Bedürftigentestamenten wird häufig eine Vermächtnislösung verwendet.

44.    Vermächtnisnehmer

Vermächtnisnehmer kann jede natürliche oder juristische Person sein, ebenso auch eine Gesamthandsgemeinschaft oder auch eine BGB-Gesellschaft.
Auch ein zum Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht geborenes Kind kann Vermächtnisnehmer sein, es muss aber lebend geboren werden.

Als Vermächtnisnehmer kann sogar eine noch nicht erzeugte Person bestimmt werden.

55.    Verjährung

Der Vermächtnisanspruch verjährt in der Regel drei Jahre nach dem Anfall.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

6Die Vorschrift enthält eine Begriffsdefinition des Vermächtnisses.

Weitergehende Bedeutung hat diese Regelung nicht, da insbesondere die §§ 2147 bis 2191 BGB weitergehende Regelungen zu dem ausgesprochenen Vermächtnis enthalten.

2) Definitionen

7 a) Begriff des Vermächtnisses

Das Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögenswertes durch eine letztwillige Verfügung, ohne dass der Bedachte als Erbe eingesetzt wird. Dadurch erlangt der Bedachte aber nur einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen den Beschwerten auf Übertragung des Vermächtnisobjekts, § 2174 BGB (Damnationslegat). Es hat keine dingliche Wirkung wie ein Vindikationslegat, welches sich in ausländischen Rechtsordnungen findet.

8Handelt es sich daher nach ausländischem Recht um ein dingliches Vermächtnis, war dieses bezüglich inländischer Vermögenswerte, insbesondere Grundstücken, nach bislang h.M. lediglich mit obligatorischer Wirkung zu behandeln.BGH vom 28.09.1994 – IV ZR 95/93, NJW 1995, 58

Der EuGHEuGH Urteil vom 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767; s. dazu auch Wachter ZErb 2017,358; Wagner NJW 2017, 3755 hat dieser h.M. aber eine Absage erteilt und die Rechtslage hinsichtlich der Anerkennung eines Vindikationslegats nach ausländischem Erbrecht entgegengesetzt beurteilt. Nach seiner Auffassung verbietet es die EuErbVO, die dinglichen Wirkungen eines Vindikationslegats (in dem entschiedenen Fall nach dem aufgrund Rechtswahl anwendbaren polnischen Recht) hinsichtlich einer in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) gelegenen Immobilie deswegen abzulehnen, weil die Rechtsordnung des Belegenheitsstaats das Institut eines Vermächtnisses mit unmittelbarer Wirkung nicht kennt. Zwar ging es in diesem Urteil nicht um die Rechtsfolgen in einem bereits eingetretenen Erbfall. Die Vorlage an den EuGH war vielmehr durch ein polnisches Gericht erfolgt, das über die Frage zu entscheiden hatte, ob ein polnischer Notar die Beurkundung eines Vindikationslegats hinsichtlich eines in Deutschland belegenen Grundstücks unter Hinweis auf die deutsche Rechtslage ablehnen darf.

Gleichwohl ist die vom EuGH bejahte Verpflichtung zur Anerkennung der dinglichen Wirkung eines Vindikationslegats nach ausländischem Recht nunmehr auch im Erbfall zu beachten. Da in diesen Fällen der Eigentumserwerb schon aufgrund des Vindikationslegats außerhalb des Grundbuchs erfolgt ist, kann nicht weiterhin eine Auflassung durch die Erben an den Vermächtnisnehmer als Voraussetzung der Eigentumseintragung verlangt werden.

Es ist daher damit zu rechnen, dass die volle Anerkennung ausländischer Vindikationslegate kraft europäischen Rechts eine Diskussion darüber anstößt, ob nunmehr auch im deutschen Recht die Einführung des Vindikationslegats in Erwägung gezogen werden sollte.MüKo/Leipold § 1938 BGB Rn 8

 

9 Zur Erbeinsetzung gem. § 1937 BGB besteht in doppelter Hinsicht ein Unterschied zur Vermächtniseinsetzung:

Während der Erbe Gesamtrechtsnachfolger wird und daher eine Erbeinsetzung nur die Zuwendung des Nachlasses als Ganzes oder zu ideellen Bruchteilen zulässt, können dem Vermächtnisnehmer einzelne Vermögenswerte zugewendet werden.

Auch erhält der Vermächtnisnehmer das ihm Zugewandte nicht im Wege des Vonselbsterwerbs unmittelbar, sondern muss das ihm Zugewandte von dem Erben einfordern.

 

10Ob im Einzelfall eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis zugewendet werden soll, ist durch Auslegung des Erblasserwillens zu klären. Es kommt dabei allein auf den Erblasserwillen an. Es kann daher - entgegen des Wortlauts in einer letztwilligen Verfügung -  eine Erbeinsetzung und nicht eine Vermächtnisanordnung vorliegen, wenn ein Erblasser über seinen gesamten Nachlass verfügt, den von ihm benannten Erben bestimmte Nachlasswerte zuordnet, und dem Vermächtnisnehmer aber den Hauptnachlassgegenstand zuweist.BayOblG vom 19.04.2000 – 1 Z BR 130/99 -, NJW-RR 2000, 1174 Die bloße Bezeichnung des testamentarisch Bedachten als Erbe ist daher für sich allein genommen nicht entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Erbeinsetzung nach § 1937 BGB oder die Anordnung eines Vermächtnisses nach § 1938 BGB vorliegt.

 

11Das Vermächtnis ist zu unterscheiden von der Auflage (§ 1940 BGB), welche ebenfalls einem Bedachten etwas zugutekommen lassen kann. Im Gegensatz zu einem Vermächtnis erwirbt der mit einer Auflage Bedachte aber keinen eigenen Anspruch.

Zu unterscheiden ist das Vermächtnis auch von der Schenkung, § 516 BGB, welche ein Rechtsgeschäft unter Lebenden ist. Soll die gewollte Übertragung bereits zu Lebzeiten des Übertragenden wirksam werden, liegt eine Schenkung vor. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich daher bei Schenkungen auf den Todesfall.

Ebenso ist das Vermächtnis zu unterscheiden von der Bestimmung eines Bezugsberechtigten aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall – typischerweise hier die Bezugsberechtigung bei einer Kapitallebensversicherung.

Der Vermächtnisnehmer hat kein Anwartschaftsrecht.

Von dem Anfall des Vermächtnisses ist dessen Fälligkeit zu unterscheiden. Hat der Erblasser nichts anderes bestimmt, ist das Vermächtnis mit seinem Anfall auch gleichzeitig fällig.

12b) Vermächtnisnehmer

Vermächtnisnehmer kann jede natürliche oder juristische Person sein. Wegen der nur schuldrechtlichen Wirkungen des Vermächtnisses ist es auch möglich, eine Gesamthandsgemeinschaft oder auch eine BGB-Gesellschaft als Vermächtnisnehmer zu bestimmen.NK-BGB/Horn § 2179 Rn 8

Auch ein zum Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht geborenes Kind ("nasciturus") kann unter der Bedingung des § 1923 Abs. 2 BGB Vermächtnisnehmer sein, es muss aber lebend geboren werden. Weitergehend als bei der Erbeinsetzung kann der Erblasser nach § 2178 BGB auch eine noch nicht erzeugte Person ("nondum conceptus") zum Vermächtnisnehmer bestimmen.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

13a) Bedeutung

Dem Vermächtnis kommt als Mittel erbrechtlicher Gestaltung erhebliche Bedeutung zu. Der Erblasser kann durch ein Vermächtnis natürliche und juristische Personen mit Vermögenswerten bedenken, ohne dass diese Erben und damit Mitglieder der Erbengemeinschaft werden. Damit kann die Anzahl der zur Miterbengemeinschaft gehörenden Personen gering gehalten und es können Konflikte in der auf Konsens angelegten Erbengemeinschaft von vornherein vermieden werden.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

EuGH Urteil vom 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767

BGH vom 28.09.1994 – IV ZR 95/93, NJW 1995, 58

BayOblG vom 19.04.2000 – 1 Z BR 130/99, NJW-RR 2000, 1174

5) Literaturstimmen

Wachter ZErb 2017, 358

Wagner, Erste Rechtsprechung des EuGH zur EuErbVO, NJW 2017, 3755


Fußnoten